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Lebensmittelallergie

DER GROSSE IRRTUM
(aus Freizeit-Kurier ©, Woche 12/02)

Die Angst vor einer Lebensmittelallergie steigt, die Zahl der Erkrankungen jedoch kaum. Ursache: die Berichterstattung und der weit verbreitete Hang zur Selbstdiagnose.

Jeder kennt jemanden, der davon überzeugt ist, an einer Lebensmittelallergie zu leiden. Oft genug unterhalten diese Vermutungen ganze Runden blendend und regen zu heftigen Diskussionen an. Denn jeder hat bereits etwas darüber gehört oder gelesen.

Doch die harten Fakten sehen anders aus. "Ein Viertel der Bevölkerung glaubt, bestimmte Lebensmittel nicht zu vertragen", weiß der Allergie-Experte Dr. Werner Aberer. "Sie differenziert dabei aber nicht zwischen einer Unverträglichkeit und einer Allergie. So liegt die Zahl der ernsthaften Lebensmittelallergien bei nur einem Prozent. Das sind Patienten, die tatsächlich auf bestimmte Nahrungsmittel, wenn sie diese essen würden, stärkere Symptome entwickeln." Der Allergie-Fachmann klingt besorgt, wenn er meint:"Es gibt sehr viele Personen, die Symptome wie Abgeschlagenheit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen mit bestimmten Nahrungsmitteln in Zusammenhang bringen - wo wir aber den Zusammenhang nicht sehen."

Fest steht, die häufigsten Allergien haben die Österreicher auf Gemüse, Obst und Gewürze. Seltener auf Milch- und Getreideprodukte. Und fast kaum auf Fisch und Schalentiere. Fest steht auch, dass Heuschnupfen und Asthma im Steigen begriffen sind. "Ungefähr die Hälfte der Menschen, die eine Birkenallergie hat - und das sind fast zehn Prozent der Österreicher -, hat auch Probleme im Mund mit bestimmten Obstsorten wie Äpfeln oder Pfirsichen. Keine großen Probleme, meist nur ein Jucken und Kribbeln." Diese zählen für Aberer nicht unbedingt zu den Lebensmittelallergikern. "Tatsächlich gibt es nur wenige hoch gefährdete Personen, die eine Notfallmedikation mit sich tragen sollten." Das sollten sie jedoch erst dann tun, wenn die Diagnose definitiv feststeht. "Ich sehe immer wieder Patienten, die haben Notfallmedikationen in der Tasche, die meines Erachtens gefährlicher sind als das, was ihnen ohne passieren könnte." Aberer warnt vor Panikmache und empfiehlt, zunächst das aufklärende Gespräch mit dem Arzt zu suchen.

"Was bei uns weit häufiger ist, als man allgemein denkt, ist das Fehlen eines Enzyms im Darmtrakt, das den Milchzucker abbaut. Und das hat nichts mit einer Allergie zu tun, auch wenn die Symptome oft so aussehen." Eine Histamin-Intoleranz ist ebenso wenig als Allergie einzustufen. "Rund zehn Prozent der Erwachsenen", so Aberer, "entwickeln einen Nesselausschlag, wenn sie größerer Mengen Erdbeeren essen. Das hat nichts mit einer Allergie zu tun. Denn da stecken keine Antikörper dahinter.

Theorien existieren zur Genüge. So zum Beispiel die populäre "Urwaldtheorie", die behauptet, dass durch die extremen Hygienemaßnahmen unserer Zivilisation die Immunabwehr nicht ausreichend trainiert wird. Klingt einleuchtend, doch die Beweise dafür fehlen noch. Bestens beleuchtet ist jedoch die beliebte These, nach der Allergien die Folge falscher Ernährung sind. Sie ist falsch. Wenn Ihr Kind massenhaft Hamburger vertilgt und Schokolade nascht, so ist das zwar nicht gesund, aber sicher kein Auslöser für eine Allergie. "Wenn einer eine Fischeiweißallergie oder eine Erdnussallergie hat", so der Experte, "dann hat er die einfach. Das hat nichts mit ungesunder Ernährung zu tun."

Und noch etwas dürfte besorgte Mütter und Väter beruhigen. Zwar sind bei Kleinkindern Milchallergien und eine Hühnereiweißallergie am häufigsten, sie verschwinden jedoch meist im Lauf der ersten Lebensjahre.
Ist gesunde Ernährung die Lösung des Problems? Nicht wirklich. Aberer, der gesunde Ernährung natürlich prinzipiell befürwortet, meint: "Die so genannte gesunde Ernährung ist ein zweischneidiges Schwert. Im Müsli sind relativ viel Nüsse und andere Rohkostbestandteile enthalten, auf die relativ viele Heuschnupfenpatienten reagieren. Diese besonders gesunde Ernährung führt gar nicht so wenige Patienten zu uns."

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