Der Grippale Infekt - eine vielschichtige Sache
Das, was wir als selbstverständlich erachten, ist oftmals gerade das Allererstaunlichste.
Der "banale" grippale Infekt ist die häufigste Erkrankung überhaupt.
Es verblüfft daher immer wieder, wie wenig die Leute über diese Erkrankung wissen. Es bestehen teilweise die irrsten Fehlvorstellungen. Daher werden oft unnötige, oftmals teure, teilweise womöglich schädliche Behandlungsversuche unternommen.
Ich verwenden die Begriffe "grippaler Infekt", "Erkältung", "Verkühlung" und "Schnupfen" und meine immer dasselbe damit, u.zw. einen Virusinfekt, der leicht verlaufen kann ("Schnupfen"), oder aber auch schwer ("schwerer grippaler Infekt").
Der Großteil meines Beitrages (Normalschrift) ist direkt der Web-Site des Common Cold Centers in Cardiff entnommen. (http://www.cardiff.ac.uk/common-cold-centre/the-common-cold).
Eigene Überlegungen oder Beobachtungen füge ich in fetter Schrift ein.
Der grippale Infekt ist die häufigste Erkrankung. Grippale Infekte sind so häufig, dass nur wenige Menschen im Laufe eines Jahres nicht zumindestens einmal erkranken. Die meisten Menschen erleiden mehrere Infektionen jährlich, Erwachsene meistens 2-5, Kinder meistens 4-8. Die Erkrankungen sind Infekte durch Viren.
Das goldene Zeitalter für Erkältungsviren. Ganz ähnliche Viren findet man auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel, im tropischen wie im gemäßigten Klima. Klar: die Viren sind genauso mobil wie ihre Träger und breiten sich mit Flugzeugen von einem Kontinent auf den anderen aus.
Die dicht besiedelten Städte unserer modernen Welt sind ideal für die Ausbreitung von Erkältungsviren. Die modernen Transportsysteme verbreiten sie von Stadt zu Stadt.
Die Infektion erfolgt meist zu Hause. Kleine Kinder sind das Hauptreservoir der Erkältungsviren. Erkältungen holt man sich daher am ehesten zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule. Erwachsene mit engem Kontakt zu Kindern sind den Infektionen stärker ausgesetzt.
Erkältungsviren sind nicht besonders ansteckend. Es ist wohl wahr, dass wir fast alle mehrere Infekte im Jahr erleiden, aber dennoch: unter Laborbedingungen – wenn gesunde Freiwillige mit Erkrankten zusammenleben – hat sich die Übertragung der Erkrankung als erstaunlich schwierig erwiesen.
Wie steckt man sich an? Der Virus wird durch kleine Tröpfchen beim Niesen oder Husten verbreitet und vor allem durch kontaminierte Finger; diese kann man leicht mit dem Virus kontaminieren, in dem man Türschnallen etc. zu Hause oder an öffentlichen Plätzen anfasst. Dann bringt man mit unwillkürlichen Bewegungen den Virus auf die Schleimhaut von Nase oder Auge und schon ist man infiziert.
Küssen hingegen ist ungefährlich. Es ist zwar enger persönlicher Kontakt notwendig, um den Virus zu verbreiten, aber erstaunlicherweise steckt man sich durch küssen nicht an.
Wie kann man sich vor Erkältungen schützen? Man muss Einsiedler werden. Sobald man unter Leute geht, holt man sich bestimmt irgendwann einmal den nächsten Schnupfen.
Hände waschen schützt ein bisschen. Da die Übertragung unter anderem auch über die Hände erfolgt, kann man durch Hände waschen die Infektion hintanhalten.
Die Grippesaison. Erkältungskrankheiten können das ganze Jahr über auftreten; es besteht aber eine Häufung während der Herbst- und Wintermonate.
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Im Winter verbringen wir mehr Zeit in – oft schlecht gelüfteten – Gebäuden. Es gibt weniger Sonne - ultraviolettes Licht aber kann Viren töten. |
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Die kältere Luft kühlt die Nase ab; dabei könnte es zu einer stärkeren Virusvermehrung auf der Schleimhaut kommen. (D.h.: der Erkältete könnte dadurch eine stärkere Infektiosität aufweisen). |
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Es könnte auch sein, dass wir im Winter gestresster sind, was wiederum unsere Immunantwort verändern und uns empfänglicher für Infektionen machen könnte. |
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Weihnachten ist eine tolle Zeit für die Viren: viel Stress, viele Besucher, viele Veranstaltungen. Gleichermaßen lässt sich auch eine Häufung von Erkältungen zu Beginn des Schuljahres beobachten |
Kann Kälteexposition eine Erkältungskrankheit auslösen? Kalte Füße und eine kalte Nase begünstigen die Infektion mit Erkältungsviren.
Hat man bei jeder Infektion auch Symptome? Nein, ganz im Gegenteil. Die meisten Virusinfektionen machen überhaupt keine Symptome, sie verlaufen „subklinisch“ - trotz starker Virusreplikation.
Diese Tatsache führt zum „Eisbergmodell“ der Infektionen (s.Abb.):
Virologen sind der Meinung, dass die meisten Infektionen, die wir erleiden, überhaupt keine Symptome verursachen und für uns völlig unbemerkt verlaufen. Bei einem weiteren großen Teil der Infektionen haben wir nur ganz geringe Symptome wie kurzfristige Halsschmerzen und ein paar Niesern - oftmals gar nicht als Erkältung von uns wahrgenommen. Diejenigen Infektionen die wir als echte Verkühlungen erleben, sind nur die Spitze des Eisbergs.
Was ist die Pathophysiologie der Erkrankungen? Die Viren selbst infizieren nur einen ganz geringen Teil der Zellen der Nasenschleimhaut.
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Meistens passiert sonst überhaupt nichts. Die Infektion macht keine sichtbare Veränderung der Schleimhaut. Diese ist zwar infiziert, aber nicht entzündet. Das sind die subklinischen Infekte. |
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Gelegentlich - und nur dann wird’s für uns lästig – kommt es zu einer Reaktion des unspezifischen Immunsystems und zur allseits bekannten Kaskade von Entzündungszellen und Immunmediatoren. Dann entzündet sich spürbar für uns die Schleimhaut und wir erleben eine Verkühlung. |
Spezifische Antikörper werden frühestens erst nach 2 Wochen gebildet. Im Falle einer Entzündung (klinische Erkrankung) werden die virusbefallenen Zellen durch Killerzellen des unspezifischen Immunsystems abgeräumt.
Der normale Verlauf eines grippalen Infektes. An dieser Stelle soll nur auf einen Teil der vielfältigenSymptome eingegangen werden:
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Die Inkubationszeit dauert einige Stunden bis 2 Tage. In dieser Zeit wandern die Viren vom vorderen Nasenteil Richtung Nasenrachen bzw. über den Tränennasengang in die Nase. |
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Erste Zeichen der Erkrankung: kratziges und wundes Gefühl im Nasenrachen - im hinteren Teil der Nase ist der Ort der zunächst infizierten Zellen - und wässrige Nasensekretion. In dieser Phase ist man am ansteckendsten. |
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Dann kommt der Schnupfen, erst einige Tage später der Husten und/oder die Heiserkeit als Ausdruck der Entzündung von Larynx, Trachea und/oder Bronchien. |
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Die Erkrankung kann bis zu 2 Wochen dauern. |
Stress und Erkrankung. Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Stress und Ausbruch einer Erkältung. Meine Vorstellung dazu: Stress - eigentlich ist hier sicherlich der Distress gemeint - bringt unser unspezifisches Immunsystem auf eine höhere "Erregungsstufe" - kaum sind ein paar Zellen der Nasenschleimhaut infiziert, schlägt es zu - ungezielt und gar nicht schonend - mit jeder Menge "collateral damage".
Ältere Menschen erleiden weniger Infekte. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte hat unser Immunsystem mit immer mehr der zahlreichen Viren Kontakt; das Immunsystem konnte daher gegen immer mehr von ihnen eine Immunität entwickeln. Ich behaupte: und außerdem steht bei älteren Menschen das unspezifische Immunsystem nicht in so gespannter Erwartung eines Eindringlings. Vielleicht erkranken sie auch deshalb weniger oft klinisch trotz stattgehabter Infektion.
Kann man gleich nach einer Verkühlung wieder erkranken? Ja, leider. Es gibt ca. 200 Typen von Viren, die derartige Krankheiten verursachen. Man kann durchaus knapp hintereinander an zwei verschiedenen Viren erkranken. Durch genaues Nachfragen kann man das aufdecken, wenn die Leute verzweifelt kommen: "Ich bin seit vier Wochen dauernd verkühlt!" - Die machen oft gerade - der eine Infekt ist noch nicht ganz ausgeheilt gewesen - einen zweiten durch.
Schlussfolgerungen
Auch heute noch sind die Therapiemöglichkeiten dieser häufigsten Erkrankung wahrlich unbefriedigend.
Die wichtigsten Maßnahmen sind nach wie vor: Geduld bewahren, Tee trinken, Zuckerl lutschen, evtl. Nasentropfen nehmen, evtl. Aspirin oder Mexalen schlucken.
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